Ein Schüleraustausch der anderen Art
Kaum mehr als 200 Kilometer von einander entfernt sind das Dorf Botopassi und die
Kleinstadt Domburg - doch ihre Einwohner scheinen in unterschiedliche Welten zu
leben. Beide Orte liegen in der ehemaligen holländischen Kolonie Surinam an der
Atlantikküste Südamerikas. Während Domburg und der Küstenstreifen des Landes von
europäischen und später indischen und indonesischen Einwanderern geprägt ist,
leben in den wenigen Dörfern des Hinterlandes die Nachkommen der indianischen
Ureinwohner und der schwarzen Sklaven, die vor mehr als 400 Jahren zur Arbeit in
den Zuckerrohrplantagen ins Land geholt wurden. Noch bevor die Sklaverei im Jahr
1762 abgeschafft wurde, flohen viele von ihnen und errichteten Siedlungen im
Binnenland Surinams. Hier haben die Maroons bis heute ihre eigene Kultur bewahrt.
Wie bei den indigenen Völkern ist ihre kulturelle Identität eng mit dem Regenwald
verbunden.
Bis heute gibt es kaum Straßen, die die Küste Surinams mit dem Binnenland
verbinden. Von der Hauptstadt Paramaribo sind Amsterdam oder Miami schneller -
und manchmal sogar billiger - zu erreichen als die kleinen Orte am Oberen
Surinamfluss. So bleibt es nicht aus, dass die Menschen in diesem kleinen Land wenig
voneinander wissen und ihre Beziehungen in erster Linie durch Vorurteile geprägt
sind. Das will Greet van der Ley aus Domburg ändern, die in diesem Jahr bereits den
zehnten Schüleraustausch im eigenen Land organisierte.
Leben in getrennten Welten
Im April machten sich 19 Schülerinnen und Schüler der fünften und sechsten Klassen
der Maroon-Dörfer Botopassi und Pikinslee auf den Weg nach Domburg. Von
gleichaltrigen Schülern der dortigen Volksschule wurde ihnen Hindutempel und
Moscheen gezeigt. Für die hauptsächlich christlichen Maroons waren dies Einblicke in
eine fremde Welt. Beim gemeinsamen Kochen, Essen, Spielen und Singen wurden
schnell neue Freundschaften geschlossen, die bei einem zweitägigen Besuch im
Brownsberg Reservat vertieft werden konnten.
Sechs Wildhüter zeigten den 50 Schülerinnen und Schülern die Schönheiten aber
auch die Gefährdung des Regenwaldes. Die Maroon-Kinder konnten vieles aus der eigenen Erfahrung ergänzen, während
es für viele ihrer Altersgenossen aus Domburg der erste Kontakt mit dem Wald war, der immerhin drei Viertel ihres
Landes bedeckt.
Anschließend fuhr die ganze Gruppe nach Botopassi. Nach zweieinhalb Stunden Busfahrt stiegen sie in Boote um, die sie
flussaufwärts in die Heimat der Maroon brachte. Nach drei Stunden hatten sie Botopassi erreicht, wo sie bereits von
den Eltern und den Dorfrat erwartet wurden. Am nächsten Tag wurde der "Granman" der Saramakaner Maroons besucht.
Dieser traditionelle Führer wird in einer Versammlung der "Captains" der verschiedenen Dörfer eines Clans gewählt.
Während der Tage im Binnenland lernten die Schülerinnen und Schüler aus Domburg das Leben der Maroons aus erster
Hand kennen. Gemeinsam wurde in den Gärten gearbeitet, gefischt und geschwommen. Sie erfuhren, dass hier auf
viele Annehmlichkeiten des Lebens in der Stadt verzichtet werden muss, aber sie lernten auch die große Achtung der
Maroons vor dem Wald kennen, der ihnen alles zum Leben notwendige liefert.
Dieser Austausch hat Menschen zusammengebracht, die sich sonst nur mit großer Skepsis betrachten. Auf beiden Seiten
ist das Verständnis füreinander gewachsen. Wie groß das Interesse ist, zeigt ein Austauschbesuch der Eltern, der noch
für dieses Jahr geplant ist.