Surinam muss Landrechte von Indianern
und Maroons anerkennen
Bis vor kurzem war Surinam das einzige Land in Südamerika, das seiner indigenen
Bevölkerung keine Eigentums- oder Nutzungsrechte an ihrem traditionellen Land
zuerkannte. Indianer und Maroons, die Nachkommen von im 18. Jahrhundert befreiten
afrikanischen Sklaven, stellen etwa 20 Prozent der Bevölkerung Surinams und leben zu
einem großen Teil im tropische Regenwald des Binnenlandes. Hier kommt es immer wieder
zu Konflikten mit Holzfirmen und Bergbauunternehmen, die von der Regierung
Konzessionen für die Nutzung großer Waldgebiete erhalten, ohne dass die traditionelle
Bevölkerung informiert, geschweige denn, um ihre Zustimmung gebeten worden wäre.
Die Saramakaner sind eine von sechs Maroon-Gruppen in Surinam. 1963 verloren sie fast
die Hälfte ihres traditionellen Landes durch einen über 1.500 km² großen Staudamm, der
in erster Linie Strom für den Betrieb einer Aluminiumhütte liefert. Ein Teil der vertriebene
Saramakaner lebt bis heute in Umsiedlungscamps, andere haben neue Siedlungen am
Oberlauf des Surinam-Flusses gegründet.
Wanze Eduards ist ein traditioneller Führer der Saramakaner mit mehreren Ämtern:
Oberhaupt seines Dorfes Pikin Slee, höchster Repräsentant von 36 Dörfern in einer Sektion
des Oberen Surinam-Flusses und einer der vier Mitglieder der traditionellen Führung aller
Saramakaner. Auch Hugo Jabini stammt aus einer Familie traditioneller Führer. Heute
studiert der 44-jährige Jura an der Universität von Surinam.
Holzfäller zerstören die Lebensgrundlage der Maroons
Als die Regierung in den 1990er Jahren Holzeinschlagslizenzen im Siedlungsgebiet der
Saramakaner vergab, kam es zu Konflikten, nachdem Gärten und Felder durch die
Holzfäller zerstört wurden. Regierungsvertreter drohten den Maroons mit Verhaftung, wenn
sie die Arbeit der Holzfirmen behindern würden. Eduards und Jabini organisierten
Versammlungen in den am stärksten betroffenen Gemeinden. Als sich herausstellte, dass es
in fast 70 Dörfern mit über 25.000 Einwohnern ähnliche Probleme gab, wurden die
Versammlungen auf alle Siedlungen der Saramakaner ausgeweitet. Unter der Leitung von
Eduards und Jabini wurde die Association of Saramaka Authorities (ASA) gegründet, um sich
gezielter für den Schutz der Siedlungsgebiete und die Anerkennung von Landrechten
einsetzen zu können. In der Folge wurden Saramakaner ausgebildet, um verlässliche Karten
zu erstellen, die erstmals die Größe des traditionell genutzten Landes und die
Auswirkungen der Holzeinschlagskonzessionen dokumentierten. Hierbei wurden sie auch
von ARA unterstützt.
Nach über 60 Versammlungen wurde immer deutlicher, dass die Regierung einseitig die
Position der Konzessionäre vertrat und sich die Rechte der Saramakaner innerhalb von
Surinam nicht durchsetzen lassen. Im Oktober 2000 reichte ASA eine Petition bei der Inter-
amerikanischen Menschenrechtskommission ein. Jabini und Eduards sammelten die
notwendigen Informationen und stellten sicher, dass möglichst viele über den Verlauf der
Verhandlungen informiert und an Entscheidungen beteiligt waren.
Das Vorgehen hatte Erfolg. 2002 und ein weiteres Mal 2004 forderte die
Menschenrechtskommission die Regierung von Surinam auf, Holzeinschlag, Bergbau und
andere Projekte auf dem von den Saramakanern bewohnten und genutzten Land
einzustellen, solange die im Verfahren erhobenen Vorwürfe nicht untersucht seien.
Außerdem verlangte die Kommission geeignete Maßnahmen, um das Wohlergehen der
Saramakaner sicher zu stellen. Dies und die weiterhin von Jabini und Eduards gesammelten
Beweise führten zu einer Unterbrechung aller laufenden Projekte.
Da sich die Regierung aber weigerte, die vergebenen Lizenzen aufzuheben und den
weiteren Forderungen der Kommission nachzukommen, übertrug die Kommission das
Verfahren an den Inter-amerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte. Nach zahlreichen
Verhandlungen entschied das Gericht im November 2007 nicht nur, dass das Gebiet der
Saramakaner rechtlich anerkannt und geschützt werden muss, sondern auch, dass ein
gesetzlicher Rahmen für die Anerkennung der Rechte aller indigener und traditioneller
Völker Surinams geschaffen werden muss.
Im Januar 2008 erklärte die Regierung von Surinam öffentlich, dass sie die im Urteil
geforderten Maßnahmen umsetzen werde. Um Zeit zu gewinnen, wurde der Gerichtshof
allerdings um zusätzliche Erläuterungen gebeten. Diese liegen seit Ende 2008 vor und
bestätigen das Urteil in aller Deutlichkeit.
Ein wichtiger Schritt für Landrechte im ganzen Kontinent
Das Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofs hat Auswirkungen, die weit über Surinam
hinausgehen. Denn bis auf Brasilien, Belize und Mexiko haben sich alle Staaten Süd- und
Mittelamerikas verpflichtet, sich den Entscheidungen des Gerichtshofs zu unterwerfen. Die
anderen müssen jedem sie betreffenden Urteil einzeln zustimmen.
Damit bestehen jetzt in vielen Ländern neue Möglichkeiten, um gegen waldzerstörende
Vorhaben vorzugehen. Denn das Gericht hat entschieden, dass Konzessionen zur Nutzung
natürlicher Ressourcen auf dem Land indigener oder in Stämmen lebende Völker nur
vergeben werden dürfen, wenn sie vier Bedingungen erfüllen: die effektive Beteiligung der
betroffenen Völker muss gewährleistet sein, es muss eine angemessene Beteiligung an den
Erträgen geben, es müssen vorab Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen
durchgeführt worden sein und Staaten haben die Pflicht, angemessene Vorkehrungen zu
treffen, um sicher zu stellen, dass diese Aktivitäten keine signifikanten Auswirkungen auf
das traditionelle Land und die natürlichen Ressourcen der indigenen Völker haben.
Ein großer Erfolg: Denn damit besteht eine rechtliche Grundlage, um gegen die Vergabe
von Konzessionen auf Indianerland vorzugehen.